Die Bayernpartei als regionalistische Bewegung

Die Umverteilung von Steuereinnahmen innerhalb Deutschlands im Rahmen des Länderfinanzausgleichs (LFA) soll sicherstellen, dass auch finanz- und steuerschwächere Bundesländer ausreichend Mittel zur Verfügung haben. Dies sorgt seit Jahrzehnten für Diskussionen zwischen den Bundesländern und dem Bund. Bayern als eines der wirtschaftlich stärksten Bundesländer trägt seit ca. 1994 einen erheblichen Teil dieser Umverteilungen, worüber vor allem die CSU immer wieder ihren Unmut zeigt.

Beiträge zum Länderfinanzausgleich der Bundesländer zwischen 1950 und 2018

Die Bayernpartei, die sich seit ihrer Gründung im Jahr 1946 für mehr Autonomie und die Eigenstaatlichkeit Bayerns einsetzt, nutzt den Umverteilungsmechanismus als zentralen Anlass für konkrete Forderungen – mit welchen fiskalischen und ökonomischen Argumenten, zeigt eine Untersuchung, die der Autor gemeinsam mit Judith Miggelbrink für den Zeitraum 1990 bis 2018 durchgeführt hat.

So beklagt die Partei, dass Bayern seit Jahrzehnten erhebliche Beiträge zum LFA leiste, ohne im Gegenzug angemessene Vorteile zu erhalten. Die finanziellen Beziehungen zwischen den Bundesländern müssten neu geordnet und die regionale Selbstbestimmung gestärkt werden. Steuermittel, so die Partei, könnten besser innerhalb Bayerns verwendet werden, um lokale Bedürfnisse zu erfüllen und die regionale Wirtschaft zu stärken. Vergleiche mit anderen wohlhabenden Regionen in Europa, wie Katalonien und Schottland, die ähnliche Forderungen nach mehr Autonomie oder Unabhängigkeit stellen, sollen die Argumentation untermauern.

Neben fiskalischen Argumenten nutzt die Bayernpartei politische und kulturelle Begründungen. Sie betont die historische und kulturelle Eigenständigkeit Bayerns, dessen Identität durch eine „zentralistische Politik“ der BRD bedroht werde. Die Forderung nach einem „Europa der Regionen“ wird als Alternative zum Nationalstaat propagiert – mit Bayern als eigenständiger Region innerhalb eines föderalen Europa. Die derzeitige Struktur der Bundesrepublik schränke die demokratische Repräsentation und die Selbstbestimmung der bayerischen Bevölkerung ein.

Diese Argumentationen werden durch die Bayernpartei zur Durchsetzung von zwei Zielen genutzt: Einerseits argumentiert sie, dass eine größere Eigenständigkeit Bayerns durch eine stärkere föderale Arbeitsteiligkeit innerhalb der BRD ermöglicht würde. In diesem Zusammenhang verweist sie häufig auf stärkere Autonomie im Bereich Bildungs- und Steuerpolitik. Gleichzeitig wird insbesondere im Kontext von Landtagswahlen deutlich dezidierter die Forderung eines eigenen bayerischen Staates unabhängig von der BRD propagiert, gerne unter Verweis darauf, dann auch auf Ebene der Europäischen Union mehr Mitspracherechte zu besitzen.

Die Argumentationsstruktur spiegelt die Verwurzelung der Forderungen in der Geschichte und Identität Bayerns wider. Der Fall illustriert zudem Emmanuel Dalle Mulles (2018) Diagnose eines „nationalism of the rich“, welchen er ab Mitte der 2000er-Jahre in mehreren europäischen Regionen (bspw. Katalonien, Norditalien, Flandern, Schottland) identifiziert. Dieser, so Dalle Mulle, trete in wohlhabenderen Regionen auf, in denen der Eindruck fiskalischer Benachteiligung gegenüber finanziell schwächeren Regionen vorherrsche und in Forderungen nach mehr Selbstbestimmung gegenüber dem Zentralstaat resultiere. Während die von Dalle Mulle beschriebenen Fälle deutlich einflussreichere Akteure aufweisen als die eher als regionale Nischenpartei geltende Bayernpartei, muss für Bayern auf die Rolle der CSU hingewiesen werden: Deren erfolgreiche Doppelstrategie regionaler Profilierung bei gleichzeitiger bundespolitischer Vernetzung und Programmatik begrenzt das Wählerpotenzial der Bayernpartei deutlich. Im Kontext Deutschlands und Bayern wird die Debatte um den Länderfinanzausgleich und die fiskalische Selbstbestimmung in Deutschland voraussichtlich weiter an Intensität gewinnen, insbesondere angesichts der anhaltenden wirtschaftlichen Ungleichgewichte zwischen den Bundesländern.

Über den Autor

Dr. Frank Meyer ist wissenschaftlicher Mitarbeiter in der Forschungsgruppe „Geographien der Zugehörigkeit und Differenz“ am Leibniz-Institut für Länderkunde.

Literatur

Dalle Mulle, E. (2018): The Nationalism of the Rich. Discourses and Strategies of Separatist Parties in Catalonia, Flanders, Northern Italy, and Scotland. London.

Meyer, F.; Miggelbrink, J. (2024): Regionalistische Bewegungen und fiskalische Selbstbestimmung. Eine Inhaltsanalyse raumbezogener Forderungen der Bayernpartei. In: Berichte. Geographie und Landeskunde, 97(1-2), 78-102. https://doi.org/10.25162/bgl-2024-0004

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