Politik machen mit Gefühlen?

Begriffe wie Sicherheit und Unsicherheit werden in politischen Diskursen oft emotional aufgeladen, mit Sehnsüchten nach Sicherheit oder Ausdrücken von Ängsten verschiedenster Art verbunden. Nicht selten werden solche Debatten auch mit sozialen Differenzierungen verknüpft und führen auf diese Weise zur sozialen und räumlichen Stigmatisierung und Marginalisierung von vermeintlich „Anderen“ als ein Sicherheitsrisiko. Der im September 2019 vom Bundeskriminalamt vorgelegte Bericht zu Organisierter Kriminalität ist ein aktuelles Beispiel dafür.

Raum und Emotionen

Parallel zu diesen Entwicklungen werden in wissenschaftlichen Debatten in der Geographie und darüber hinaus zunehmend Emotionen des alltäglichen, subjektiven (Er)Lebens thematisiert und leibliche Erfahrungen von beispielsweise Furcht und Gewalt als Gefühle von Unsicherheit in Analysen einbezogen. Maßstabsebenen und Räume werden dabei weniger thematisiert. Dabei kann genau die Frage nach den räumlichen Bezügen und Verortungen  von Emotionen der (Un)Sicherheit entscheidend zum tieferen Verständnis verwobener Sicherheitsstrukturen und -wahrnehmungen der heutigen Gesellschaft beitragen.

Unsere Forschungsgruppe, die sich am IfL mit Geographien der Zugehörigkeit und Differenz beschäftigt,  hat dieses Thema im August 2019 zur Jahreskonferenz der Royal Geographic Society in London mitgenommen – ein Ort, der mit hitzigen Debatten um den Brexit in den Sommerwochen gerade symbolhaft stand für die Vermischung von Emotionen und Politik. Unter dem Titel „Emotional Geographies of Security and Insecurity“ haben wir mit internationalen Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern über die wachsende Wahrnehmung, Einbindung und strategische Nutzung von Affekten und Emotionen in raumbezogenen Politiken der Sicherheit diskutiert. Von subjektiven Verkörperungen von Emotionen bis zum politischen Einsatz von Angst und Terror in der Geopolitik wurden Erfahrungen um Emotionen der Sicherheit und Unsicherheit über mehrere Skalen hinweg zusammengedacht.

Emotionale Politiken der Verunsicherung

Im Fokus stand dabei die Wirkung emotionaler Politiken der Verunsicherung. Wie entstehen Landschaften der Unsicherheit und Angst oder Atmosphären von Gewalt? Wie wirken emotional gestützte Politiken z. B. im Falle von gemeinschaftlicher Terrorbewältigung durch politisch vorangetriebene Identitätsstiftung (Beispiel: „We love Manchester“ nach dem Terroranschlag in 2017)? Oder welche raumwirksamen Effekte haben idealistische Bekenntnisse der Weltoffenheit in einem Portlander Stadtviertel, wo vor allem die schwarze Bevölkerung im Zuge der Gentrifizierung verdrängt wurde?

Anhand solcher Beispiele haben wir kritisch hinterfragt, wer welche Ziele mit diesen Aktionen verfolgt, wieviel Ausschluss bzw. Exklusion in solchen gemeinschaftlichen Praktiken steckt und welche zeitlichen Dimensionen dabei von Bedeutung sind.

Neue Ansätze in der Forschung

Ausblickend haben wir uns gefragt, welche sensiblen und kritischen Ansätze die sozialwissenschaftliche, raumbezogene Forschung braucht, um emotionale Politiken zu ergründen und Ansätze für eine Politik zu motivieren, die neue Sphären des Zusammenhalts schafft.

Die Ergebnisse der Fachsitzung werden voraussichtlich 2020 in einem Themenheft in einer internationalen raumwissenschaftlichen Zeitschrift nachzulesen sein.


Kristine Beurskens ist Koordinatorin der Forschungsgruppe Geographien der Zugehörigkeit und Differenz am IfL. Zu Ihrem Team gehören Kathrin Hörschelmann und sieben weitere Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler.

, ,