Was tun mit alten Karten?

Die topographische Karte 1:25.000 von 1922 zeigt das östliche Stadtgebiet von Leipzig.

In alten und oft schlecht sortierten Kartensammlungen zu stöbern, ist mühselig und wird – wenn man nicht zu den letzten Karten-Nerds zählt – kaum noch praktiziert. Das fein erzeugte Digitalisat mit entsprechender Erschließung ist längst gängige Praxis und hat auch neben Google Maps und Co. seine Daseinsberechtigung.

Seit 2015 verwenden wir am IfL dazu eine hochwertige Reprotechnik, mit der selbst große Formate in hoher Auflösung digitalisiert werden können. Bis 2017 fand der gesamte Bestand an Karten, die vor 1850 erschienen sind, mit über 1300 Einzelblättern in digitaler Form seinen Weg in den Onlinekatalog unserer Bibliothek. Überrascht von der hohen Nutzernachfrage, reifte bei uns die etwas kühne Überlegung, ein äußerst umfangreiches historisches Kartenwerk zu erschließen: die Topographische Karte des Deutschen Reiches im Maßstab 1:25.000, besser bekannt als „Messtischblatt“. Zwar haben auch andere Bibliotheken und Kartensammlungen ihre Messtischblätter bereits digitalisiert, aber meist handelt es sich dabei um Einzelnachweise oder regional abgegrenzte Teilbestände.

Zur Digitalisierung der über 6000 Einzelkarten kam eine hochauflösende Kamera zum Einsatz. Die Karten haben wir als komprimierte JPEG-Dateien im Online-Katalog verfügbar gemacht und als unkomprimierte TIFF-Dateien auf einem dreifach gespiegelten RAID-System archiviert.

Stadt – Land – Fluss: Metadaten machen den Unterschied!

Der zweite und arbeitsintensivere Schritt war die Katalogisierung der Einzelblätter. Schnell wurde uns klar, dass die Informationen auf den Karten für Suchende in vielfältiger Weise interessant sein könnten und eine fein gefächerte inhaltliche Erschließung die erfolgreiche Recherche unterstützt. Zur besseren Darstellung ist in Zukunft geplant, einen Viewer mit weiteren Werkzeugen zur besseren Betrachtung zu implementieren.

Zunächst haben wir alle auf der Einzelkarte verzeichneten größeren Siedlungen in die Katalogmaske übertragen, für das gesamte Kartenwerk über 90.000 Ortschaften! Sucht man in unserem Onlinekatalog nach einem Dorf oder einer Stadt, finden sich unter den Treffern meist auch ein oder mehrere Messtischblätter. Da die digitale Karte frei zugänglich ist, kann der Ort sofort in seiner topographischen Umgebung betrachtet werden.

Genauso haben wir die Verwaltungsgliederung berücksichtigt. Heutige Bundesländer sowie die historischen Stadt- und Landkreise zur Aufnahmezeit der Karten werden genannt. Besondere Mühe haben wir uns mit der sachlichen Erschließung (Verschlagwortung) der Karteninhalte gegeben. Wahrscheinlich sind wir die erste Bibliothek, die bei allen Messtischblättern die Namen von Fließgewässern, Seen und Landschaften anführt.

Flüsse und Bäche haben wir ab einer Mindestlänge von 15 Kilometern erfasst und den erzeugten Schlagworten weitere Informationen wie Lage, Länge und übergeordnetes Flusssystem hinzugefügt. Mithilfe dieser Stammdaten ist es möglich, den historischen Verlauf auch kleinerer Flüsse über mehrere Kartenblätter hinweg zu verfolgen.

Sucht man zum Beispiel nach der sächsischen Gösel, findet man drei verschiedene Kartenblätter in 15 Ausgaben und kann den Verlauf des Baches studieren. Weitere Informationen werden im Onlinekatalog der GZB mit einem Klick auf das Informationssymbol angezeigt.

Der Vergleich verschiedener Ausgaben eines Kartenblatts macht die Veränderungen der Natur- und Kulturlandschaft seit dem 19. Jahrhundert deutlich: In der DDR führte der Braunkohlenbergbau zur Umgestaltung ganzer Landstriche, betroffen waren auch die hydrologischen Abflussverhältnisse. So erhielt die Gösel im Rahmen der Aufschließung des Tagebaus Espenhain in ihrem Unterlauf ein völlig neues Flussbett. Dies zeigt der Vergleich mit der Topographischen Karte der DDR im Maßstab 1:25.000, die momentan von uns digitalisiert wird.

Zusätzlich zu den Fließgewässern haben wir die Namen von Naturlandschaften aufgenommen. Als wichtigste Quelle diente die Karte „Landschaften. Namen und Abgrenzungen“ von Herbert Liedtke im Maßstab 1: 1.000.000. Schon einmal vom Schurwald oder vom Glemswald, vom Rammert oder von der Steinlach gehört? Die Lage dieser Kleinlandschaften im südwestdeutschen Schichtstufenland und viele andere lassen sich jetzt in den topographischen Karten leicht finden.

Mithilfe solcher Metadaten können die topographischen Karten in der historisch-geographischen Forschung ebenso wie in der Heimatforschung behilflich sein.

Netzwerke sind wichtig

Um die Reichweite und Sichtbarkeit unserer Angebote zu erhöhen, stehen wir derzeit im Kontakt mit dem Rechercheportal „Geo-Leo“ in Göttingen. Die Idee ist, unser komplettes Messtischblatt-Angebot über eine Schnittstelle in die grafische Oberfläche des Rechercheportals zu integrieren. Dies würde unserer Sammlung nochmal einen enormen Schub in der Verbreitung geben.


Martin Toste ist Bibliothekar und Leiter der Kartensammlung am IfL

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